Je weiter wir nach Guatemala hineinreisen, umso mehr fallen uns die
Unterschiede zu Mexiko auf: die Hütten sind noch schlichter, die Busse
noch überfüllter, dafür aber auch umso bunter lackiert,
ihre Abgase sind noch schwärzer und die Tiere am Straßenrand
sind noch dürrer. Noch nie haben wir Menschen so hart arbeiten
gesehen. Gleichzeitig bemerken wir aber noch
etwas anderes: die Trachten sind selbst in den ärmsten Dörfern
noch farbenfroher und raffinierter
als in Mexiko. Selbst bei der harten Feldarbeit, beim
Ziegenhüten, beim Kochen und Wäschewaschen tragen die
guatemaltekischen Frauen aufwendig bestickte Blusen und lange
Röcke aus handgewebten Stoffen. Je weiter wir ins Landesinnere
kommen, umso mehr sehen wir auch Männer in Trachten. Auch sie
tragen sehr bunt bestickte Hemden und Blusen, manche tragen kurze
Röcke in braunen Webstoffen. Jedes Dorf hat seine eigene Tracht. Die
Trachten sind für die Indigenas, die Nachfahren der Maya ein ganz wichtiges Element
ihrer Identität.
Wie in Mexiko hören die Menschen in Guatemala viel Musik und das
so laut wie möglich. Doch von Lebensfreude ist hier deutlich
weniger zu spüren, auch wenn die gleichen schwungvollen Lieder aus
den Boxen dröhnen. Die Gesichter sind ernst, von harter Arbeit
auf den Feldern und in den heißen Küchen gezeichnet.
Die Freude ist verhalten, die Gespräche erscheinen uns weniger lebhaft.
Gegenüber den Mexikanern mit ihrem lärmenden Selbstbewußtsein
wirken die Indigenas Guatemalas wie betäubt. Der Schatten der Vergangenheit lastet
noch auf den Menschen, denen die Gewalttaten im 36 Jahre währenden Bürgerkrieg dumpfes
Erdulden aufzwangen.
Umso
überraschender ist es, wenn uns die müden Gesichter plötzlich
anstrahlen und freudig anlachen, nur weil wir sie höflich
gegrüßt haben. Viele sind an unserer Reise interessiert und freuen
sich sehr, wenn wir für einen kleinen Plausch eine Pause einlegen.
Hier in Guatemala werden wir allerdings auch erstmals aufdringlich angebettelt und zum
Kauf gedrängt. Wir tun uns nicht leicht darin, den für uns
besten Weg zu finden, damit umzugehen. Vor allem bei Kindern, die
eigentlich in die Schule gehören, aber von ihren Eltern zum Geldverdienen
auf die Straße geschickt werden. Sie verstehen es nicht, daß Menschen
mit soviel Geld den Kauf schöner Web- und Stickarbeiten ablehnen können.
Durch Zufall geraten wir auf einen Kindergeburtstag und erleben die Guatemalteken auch
einmal fröhlich feiernd. Während wir die in Bananenblätter eingewickelten
Tamales genießen, vergnügen sich die kleinen und großen Kinder am Juego de Piñata.
Es gilt mit verbundenen Augen eine Pappmache-Figur zu zerschlagen, in deren
Bauch Süßigkeiten eingeschlossen sind.
Hier in Guatemala erfahren wir nun wie es ist, in einem Haus mit
Wellblechdach zu schlafen: sehr laut. Bei Regen kann man sich kaum
unterhalten, aber dafür übertönt der donnernde Regen
auch die schrägen Gesänge aus der Kirche nahebei (Wo es wenig Wege aus
der Armut gibt, haben Sekten Hochkonjunktur).
Einen
Wecker brauchen wir nicht: Die Vögel hopsen morgens über uns
auf den Metallwellen herum, als sei es ein Percussion-Instrument. Es
hört sich an, als hätten sie meterlange Klauen, dabei
handelt es sich nur harmlose kleine Gartenvögel (oder?). Wir
arbeiten noch daran, unsere Mordfantasien in Grenzen zu halten.
Inzwischen wissen wir auch, wie es ist, Flöhe im Bett sowie Amöben
und anderes Getier im
Bauch zu haben. Was für die anderen total normal ist, ist
für uns allerdings noch sehr gewöhnungsbedürftig.
In der täglichen Auseinandersetzung mit dem Leben der Menschen
hier, lernen wir, das Armut nicht einfach Armut ist, sondern viele
verschiedene Facetten und Spielarten kennt.
Erstellt in einem Internet Café in San Pedro La Laguna,
Guatemala am 30. August 2004
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Fröhlicher Plausch am Straßenrand (mi)

Wunderschöne Berglandschaft bei Panajachel (mi)

Kindergeburtstag in Chuiatzan (mi)

Alter Kolonialbau in Quetzaltenango (mi)
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