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Zurück in Europa

April 2005

Nach rund 15 Monaten in Nord- und Zentralamerika und sieben Monaten in Südamerika beginnt nun unsere letzte große Etappe in Europa. Beim Radeln durch Frühling und Sommer wollen wir uns ganz allmählich wieder an das Leben in Europa und Deutschland gewöhnen.

Immer wieder schaue ich vom windumheulten Balkon von Valeria und Bernard, unseren Gastgebern, auf das nächtliche Madrid herab. Eine neue Stadt - ein neuer Kontinent - ein Neuanfang in Europa. Wir haben unsere kranken Mütter in Deutschland besucht, uns gefreut zu sehen, daß es ihnen wieder etwas besser geht, nun beginnt die eigenliche Heimfahrt. Ein seltsames Gefühl! Ich bin ganz durcheinander, ein Teil von mir ist noch in Chile. (mi)

Madrid ist gewältig, stark, reich, katholisch, mächtig und voll großartiger Kultur. Von hier aus kamen die Stierkämpfe, die Kolonialarchitektur und Flamencotänze nach Zentral- und Südamerika. Von hier aus kamen aber auch grenzenlose Zerstörung und Unterdrückung. Bewunderung und Bedrückung kämpfen in mir um die Vorherrschaft. Die Bedrückung siegt. Noch zu wach sind die Eindrücke aus Mexiko, Guatemala, Peru, Bolivien und Chile. Überall in der Welt dasselbe: Eroberer und Eroberte. Auch hier in Madrid: Einst eroberten die Mauren Spanien und hinterließen ihre Spuren, wie man an der Architektur dieser Stierkampfarena sehen kann. (ma, mi)

Frühling! Wie wunderbar! Seit zwei Jahren haben wir keinen Frühling mehr gehabt. Durch geschickte Zeitplanung sind wir immer in Sommerwetter gereist (auch wenn das für das jeweilige Land Herbst oder Winter war), die wenigen Radeltage im Regen sind an einer Hand abzählbar. Das war sehr angenehm, aber irgendwie habe ich doch immer mehr den Rhythmus und Wechsel der Jahreszeiten vermißt. (mi)

Es war, als wäre nach etwas über zwei Jahren die innere Uhr unserer Ausrüstung abgelaufen. Mit einem Loch in meiner Isomatte fing unser erster Radeltag in Spanien an. Hier bereitet Markus schwungvoll den "Operationstisch" vor, um dann umso abrupter in der Gebrauchsanweisung stecken zu bleiben. Es war sonnig, es war warm und es war Frühling, da nahmen wir es noch mit Humor. Einige Wochen, Reparaturen und Flickarbeiten später hatten wir es leid. Kann das teure Zeug denn nicht noch ein paar Monate länger durchhalten?! (mi)

Valeria und Bernard, zwei erfahrene Reiseradler und Reisebuchautoren, haben uns geholfen, die Route durch Spanien zu planen (siehe auch unter "Leute"). Wir sind ihnen sehr dankbar, auch wenn wir dafür unsere bisherige Planung komplett über den Haufen werfen mußten. Geschickt lotsten uns die beiden durch wunderschöne Landschaften und an interessanten Sehenswürdigkeiten vorbei wie z.B. hier an beeindruckender Architektur in der Stadt Guadalajara. (mi)

Lautlos gleiten wir auf unseren Rädern aus der Stadt heraus, lassen Lärm, Enge und Hektik hinter uns. Die Natur nimmt uns auf. Jedes Mal ist das ein starkes Gefühl von innerem Frieden und Zufriedenheit, fast wie "Auf der Straße sind wir zuhaus". Bei so schönen, wilden Zeltplätzen fehlt es uns erstmal an nichts. (mi)

In Spanien macht das wild zelten noch richtig Spaß. Überall gibt es frisches Trink- und Quellwasser zum Erfrischen, Waschen und Flaschen auffüllen. Und spätestens alle 100 Kilometer kommt selbst in der einsamsten Gegend noch ein kleines Dorf, in dem man seine Lebensmittelvorräte auffrischen kann. Da atmet auch der Geldbeutel trotz Euro wieder auf. (ma)

maurisches Fenster
Was für ein Glück, daß wir unsere Wintersachen noch dabei haben! Nach einigen schönen Sonnentagen wird es wieder richtig frisch mit nächtlichen Temperaturen von um 0 Grad. Hier arbeitet sich Markus grad eine gewaltige Felsenburg der Mauren empor. Wir staunen, wie weit sie sich in den Norden vorgekämpft hatten. Ob sich die Eroberer hier oben in der einsamen Burg noch wohl gefühlt haben? (mi)

"Guten Morgen!" Markus springt schon voller Energie ums Zelt herum, während ich mich mühsam aus dem warmen Schlafsack pelle. Ob ich mich jemals wieder ans Frühaufstehen gewöhnen werde? Im Moment habe ich da ja noch große Zweifel. (ma)

Als wir die Rioja, die berühmte Weingegend erreicht haben, wird mir klar, warum mir das Radeln die letzten Tage so schwer fiel: Es ging langsam aber stetig immer weiter bergauf. Dafür werden wir mit herrlichen Ausblicken und spannenden Entdeckungen belohnt, von denen der nächste Bericht handelt. (mi)

Erstellt bei Tina und Herbert in Wismar, Deutschland am 8. August 2005


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