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Als Gipfelstürmer unterwegs

Erstellt bei Leo "Dr. Software" in Guadalupe, Perú am 30. Oktober 2004

Während eine Sendung von Fahrradersatzteilen nach Lima unterwegs war, nutzten wir die Wartezeit für einen zehntägigen Ausflug in die Berge, den Huascarán-Nationalpark im Norden Limas, um dort etwas zu wandern und uns mit den ungewohnten Höhenverhältnissen vertraut zu machen.

Die ersten Tage haben wir es kaum die Stufen hoch in den zweiten Stock zu unserem Hotelzimmer geschafft, so dünn ist dort die Luft. Unser Ausgangspunkt, die Stadt Huaraz im Tal des Flusses Rio Santa, liegt immerhin auf 3.090 m.
Bei einem ausgedehnten Spaziergang rund um Huaraz kamen wir durch malerische Bergdörfer und begegneten das erste Mal Peruanern in Trachten. (ma, mi)

Hier in der "Schweiz Perús", wie der Huascarán-Nationalpark auch genannt wird, erfuhren wir erstmals, daß Perú gespickt voll ist mit spannenden Ruinen und die Inkas bei weitem nicht die einzige interessanteste Kultur dieses Landes sind.
Dies ist der dreigeschossige Tempel Willcawain, des Wari- bzw. Huari-Volkes, einer Prä-Inka-Kultur, die ca. 600 – 1.400 n.Chr. lebte. (mi)

Besonders fasziniert hat uns das kunstvolle Mauerwerk aus unbehauenen Steinen. Neben der Dreigeschossigkeit fnden sich in Willcawain weitere architektonische Raffinessen wie Belüftung und Isolation. Wir hatten eine tolle Führung durch einen engagierten peruanischen Tourismusstudenten, der so langsam und klar spanisch sprach, daß wir fast 100% verstanden. (beide Fotos: ma)

Der Huascarán-Nationalpark ist voll von erstaunlichen Dingen. Auch die Tier- und Pflanzenwelt hält so manche Überraschung parat. Hier gibt es die größten Ananasgewächse (Bromeliaceae) der Erde: die Puya Raimondi. Dieses Exemplar hier ist klein, andere werden bis zu 10 m hoch! Einzigartig ist ihre Blüte, die sich aus 8.000-10.000 Einzelblüten zusammensetzt. Die Bestäubung übernehmen übrigens Kolibris, weil es in diesen Höhen keine Insekten mehr gibt. Die Puya Raimondis blühen nur einmal in ihrem Leben, das bis über 100 Jahre dauern kann!
Links die Puya Raimondii, oben Bromelien, unten Kletterpflanze und zarte Büten, alle auf ca. 4.000-5.000 m Höhe angetroffen (ma, ma, mi, mi)

Typische Höhensteppe mit leuchtendblauem Bergsee, und Lamas mit den Weißen Kordilleren im Hintergrund, gesehen auf dem Weg zur Tempelburg von Chavin (siehe links ein "Cabeza Clava"). Chavin, die "wohl geheimnisvollste Kultstätte Südamerikas" würde einen eigenen Bericht füllen. Wir haben sie schweren Herzens weggekürzt. (mi)

Es war bereits der dritte Tag im Huascarán-Nationalpark, trotzdem haben wir hier auf dem Pastoruri-Gletscher das erste Mal richtig Schwierigkeiten mit der Höhe gehabt. Der Bus fährt bis auf eine Höhe von 4.800 Meter. Vom Parkplatz aus sind wir weitere 500 Meter hoch gewandert. Das Wandern sieht dann so aus: 10 Schritte laufen – Pause – 20 Schritte laufen – große Pause – 10 Schritte... Es hat lange, lange gedauert, aber dafür wurden wir mit der Rekordhöhe von 5.300 m belohnt. Im Anschluß waren wir alle ganz aufgeregt bis überdreht, nur Markus nicht, der hatte Durchfall von der Ente am Vorabend und fühlte sich ganz elend. Die peruanischen Touristen trösteten ihn und spendierten ihm einen Matetee. (mi)

In Huaraz sahen wir in einem Schaufenster ein Bild von Zelten in den Bergen, da war ich hin und weg, also mußte diese Wandertour gebucht werden! Mit sieben anderen Unternehmungslustigen, vier Eseln, zwei Bergführern und einem Eseltreiber gings dann von Cashapampa (2.900 m) aus das romantische Santa-Cruz-Tal hinauf in die Berge. (mi)

Ein herrlicher Aussichtspunkt umgeben von einigen 6.000er Bergen und unsere Gruppe beim Pausieren. Wie wir uns beim Wandern näher kennenlernten, stellten wir fest, daß wir bis auf eine Frau alle Weltreisende waren. Die einzige "normale" Touristin, Silke aus der ehemaligen DDR, ist gerade dabei Perú und Bolivien in fünf Wochen alleine zu bereisen. Eine interessante Gruppe, in der Markus und ich mit Abstand die Ältesten waren! (ma)

Der höchste und kälteste Zeltplatz, auf dem wir je in unserem Leben campierten: Taullipampa auf ca. 4.200 Meter Höhe. Am Abend saßen wir alle dick eingemummelt im Küchenzelt, die Finger eng um die wärmenden Tassen mit Matetee geschlungen und lauschten Carlos Erläuterungen zur bevorstehenden Tagesetappe über den Punta-Union-Paß.
Wie bestellt, um das Bergabenteuer komplett zu machen, kreiste auf dieser Wandertour auch einmal ein großer Kondor über uns. Er fliegt nur unheimlich schnell, deshalb ist er sehr schwer zu fotografiern. (ma/mi)

Geschafft! Der Weg war die ganze Zeit so felsig, wie man hier im Hintergrund sieht. Eher ein Bachbett, in dem wir von Stein zu Stein klettern mußten, als ein Pfad. Die Esel haben uns mitsamt ihrem Gepäck ganz locker überholt. Wir haben sie sehr bewundert, wie sie ihre vier Beine problemlos koordinierten und die Hufe immer so aufsetzen, daß sie nicht ausrutschten. Oben angekommen wurden sie entladen und mit einer anderen Eselgruppe ausgetauscht. (ma/mi)

Hoch oben in den Bergen kann es einem passieren, daß man einem kleinen Kind ganz allein auf weiter Flur begegnet. Sie hüten Ziegen oder Schafe und kehren erst am Abend zurück zu ihrer Familie. Auch zur Schule laufen sie einige Kilometer ganz allein hin und zurück. Die Wangen sind wie diesem Mädchen von der Sonne verbrannt. (mi)

Von wegen "sturer Esel"! Unsere Packesel waren absolut fleißig im Schleppen, gehorsam und total süß. Das gab ein dickes Knuddeln zum Abschied. Dann ging es im Bus tausend Serpentinen wieder hinunter nach Huaraz. Zum Abschluß der Wanderung gönnten wir uns ein Bad in den Thermalquellen von Monterrey. Anschließend gabs ein leckeres Steak-Essen mit unserer Wandertruppe in Huaraz. Und dann waren wir aber tot! (ma)



Nachwort:
Das war ein ausnahmsweise mal ein "normales" Touristen-Programm: jeden Tag ein bis zwei Touren. Ein Höhepunkt jagte den anderen. Wir hatten kaum Zeit all das Erlebte zu verarbeiten. Das Radreisen hat demgegenüber den Vorteil, das man zwichendrin immer reizärmere Tage hat, an denen sich die gewonnenen Eindrücke setzen können, was uns viel besser gefällt. Wir raten allen, die wie wir den Huascarán-Nationalpark bereisen wollen, mehr als eine Woche Zeit einzuplanen. Wir haben keine Höhenkrankheit bekommen, aber das war schon viel Glück bei dem straffen Programm, was wir uns da zusammengestellt hatten!
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