Die Redwoods gelten allgemein als beeindruckende Naturschönheit, faszinierende Wälder
voller herrlicher Bäume, die einfach jeden begeistern müssen. Da der Highway 101 über weite
Strecken mitten durch die Wälder führt, ist es sehr einfach für Radler, all diese Orte zu besuchen, die
ein absolutes Muß für den Besucher darstellen. Doch mit der jubelnden Begeisterung der Touristen
und dem spontan schön-finden klappt es bei uns nicht so richtig.
Die Höhe und Wucht der Redwoods sprengt einfach total unseren Erfahrungshorizont als Europäer: Die höchsten
Bäume, die wir von zuhause kennen, sind nicht mal halb so hoch wie ein Küsten-Redwood.
Wir haben noch nie einen Baum
gesehen, dessen Krone in den Wolken verschwindet und dessen Stamm so dick ist, daß man Autos dahinter verstecken kann.
Die enorme Größe der Redwoods ist am ehesten noch mit Fernsehtürmen zu vergleichen. Stell Dir einen
Wald aus mit Borke überzogenen Fernsehtürmen vor. Dort wo sonst das Restaurant sitzt, befinden sich die
Baumkronen.
In dem kathedralen-ähnlichen Waldraum der Redwoods ist es unheimlich still. Nur ganz vereinzelt ist hier
und dort ein dünnes Vogelstimmchen und hoch oben in den Baumkronen eine Windböe zu hören.
Überall liegen umgestürzte Riesenstämme rum, versperren Sicht und Wege. Was es wohl für ein
Getöse gibt, wenn einer der morschen, ausgehöhlten Baumveteranen die Stabilität verliert und umstürzt!
Eine absolut surrealistische Atmosphäre. Dinosaurier könnten sich
hier wohl fühlen. Ein riesiger, frischer Kothaufen und ein lautes Krachen im Gebüsch ist doch sehr
beunruhigend, vor allem, wenn man wie wir nicht weiß, ob es sich um einen Elch (eher ungefährlich) oder
einen Bären (eher gefährlich) handelt.
Seit wir die Redwoods erreicht haben, schauen wir kaum noch in die Radführer. Wir radeln nur noch kurze
Distanzen und wandern, was das Zeug hält, um dem Phänomen der Gigantenbäume irgendwie näher
zu kommen. Wir hoffen, mit unseren Photos unsere Eindrücke ansatzweise vermitteln zu können (siehe auch bei
"mehr Bilder").
Es gibt noch einen anderen Grund, warum wir dem Jubel der Touristen nicht zustimmen können: Außerhalb
der geschützten State Parks, die den Besuchern als heile Welt vorgeführt werden, werden diese über
tausend Jahre alten Wälder gnadenlos abgeholzt von einer Firma, die defacto schon längst bankrott sein
müßte. Seit die Pacific Lumber Company, ein ehemaliger Familienbetrieb, 1985 von der Maxxam Corporation
aufgekauft und in windige Aktiengeschäfte verwickelt wurde, hat sie 800 Millionen Dollar Schulden am Hals.
Im Teufelskreis gefangen sieht die Firmenleitung keine andere Chance, als das Defizit mit dem Verkauf von Holz zu
decken. Mehrere hundert Gerichtsverfahren wegen Brechung der Forstgesetze und anderer Delikte haben sie bisher kaum bremsen
können.
Abseits aller touristischen Pfade findet ein verzweifelter Kampf um die Wälder statt: die Aktivisten von
Earth First! besetzen Bäume, blockieren Forstwege und halten die Öffentlichkeit ständig auf dem
Laufenden. Auf den Spuren von Julia Butterfly Hill, die mit ihrer zweijährige Baumbesetzung berühmt geworden ist,
erleben wir schließlich ein ganz anderes Amerika, als es in den Medien verbreitet wird.
Unsere Abenteuer in der Baumbesetzerszene von Earth First! und auf der Suche nach "der Baumfrau" kannst
Du in dem fünf-seitigen Spezialreport
"Auf den Spuren von Julia Butterfly Hill" nachlesen. (mi)
Erstellt bei Bill auf der Audobon Canyon Ranch nördlich von San Francisco,
USA, am 10. September 2003
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Redwood im Jedediah State Park (ma)
Baumriesen fotografieren (mi)
Avenue of the Giants (ma)
Earth First!-Aktivist bei Arcata (mi)
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