Der Eingang nach Oregon führt uns über eine ca. 7 km lange Brücke, die in die Stadt
Astoria hineinführt. Die Fahrbahn verläuft die meiste Zeit flach über dem Wasser entlang, bevor
sie einen hohen Bogen macht, unter dem große Schiffe hindurchfahren können. Über Wochen
folgen wir dem Highway 101 oder ruhigeren Nebenstraßen an der Küste entlang. Meistens ist es
schön flach, aber es gibt auch einige steilere Hügel zu überwinden. Das Meer,
Fischerboote und Häfen, die Sonne, die typischen Vulkanfelsen im Wasser, kleine Sandstrände,
Möven wie Seehunde bestimmen diese Tage und vor allem der starke Küstenwind.
Der Wind ist immer präsent, wo immer wir sind. Er peitscht die
Grashalme neben uns im Straßengraben. Wir freuen uns über Rückenwind, der uns manchmal sogar
kleinere Hügel bergauf schiebt. Doch wehe er oder die Straße ändert die Richtung. Dann bläst
uns der Wind heftig entgegen oder wirft uns von der Seite kommend mit einer Böe fast vom Rad.
Selbst an unserem Zeltplatz mitten im Wald weht der Wind. Über unseren Köpfen biegen sich die
Baumwipfel meterweit hin und her. Erst am späten Abend wird es ruhiger.
Doch bevor er uns Ruhe für die Nächt gönnt, spielt der Wind noch etwas in unserem
Lagerfeuer und bläst uns den Qualm ins Gesicht.
Auch wenn es nicht so ganz legal ist, in einer Vollmondnacht schlagen wir unser Nachtlager
direkt am Meer, versteckt in den Dünen auf. Am
nächsten Morgen ist alles in blaues Licht und Morgendunst gehüllt, der Wind schweigt. Es ist Ebbe.
Die großen Felsen stehen frei, so können wir zahlreiche Muscheln, Schnecken, Seeanemonen und
Seesterne beobachten, die sonst von Wellen umgeben sind. Die aufgehende Sonne schickt ihre ersten Strahlen
durch den Morgendunst. Kurz darauf ist er wieder da, der Wind, pfeift uns um die Ohren und treibt die Wellen
wieder auf die Küste zu.
Neben diesen intensiven Naturerfahrungen erleben wir die Reisementalität der Amerikaner als harten
Kontrast. In ihren dicken Autos und riesigen Wohnmobilen erreichen sie zwar alle wichtigen Aussichtspunkte,
haben aber auf dem Weg dorthin hinter Glasscheiben dank Klima- und Stereoanlage wenig vom Draußen erlebt. Sie
fahren einige hundert Meilen pro Tag - 500 km sind für sie ein Klacks. Wir haben mit unseren 30 bis
50 Kilometern pro Tag schon das Gefühl, viel zu schnell zu fahren und nicht aufmerksam genug
zu sein angesichts der enormen Vielfalt und Schönheit, die die Küste zu bieten hat. Steile
Hügel, der allgegenwärtige Wind, Krähengeschrei, Mücken, strenge Hafengerüche und Sand
in den Haaren gehören ebenso dazu wie das schöne Panoramabild am Aussichtspunkt.
Mit unserer Radreise durch die Staaten befinden wir uns mittendrin im Spannungsfeld zwischen spartanischem Leben
in der Natur und verschwenderischer Wohlstandsgesellschaft. Den Komfort der Zivilisation gleich auf der anderen
Straßenseite zu wissen, das ist schon verführerisch. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, genießen
wir zur Abwechslung auch gerne mal heiße Duschen, Herd und Mikrowelle, Hamburger und S'mores sowie das Sofa
und den Fernseher im gemütlichen Wohnzimmer unserer Gastgeber.
Erstellt bei Kelly und Rob in Brookings,
USA, am 17. Juli 2003
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Die Brücke von Astoria (mi)
Hafengebäude in Brighton (mi)
Felsen an der Mündung vom Pistol River (mi)
Am Seven Devils Wayside (ma)
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