Frankreich, 13. August 2002, Montsoreau, ein kleiner Ort an der Loire, wir
saßen in einem Strassencafé und warteten die
sengende Mittagshitze
ab. Wir waren gerade dabei, Frankreich mit dem Rad zu durchqueren
und plötzlich war sie da, die Idee von der Fahrradhochzeit. Es sollte
nur ein kleiner Kreis engster Familienmitglieder und Freunde sein, aber
alle sollten sie mit uns auf Rädern fahren. Für die beiden älteren
Damen wollten wir eine Fahrrad-Rikscha leihen und für uns ein Tandem.
Zuhause wurde zwar die Idee mit der Hochzeit, aber nicht die mit den
Fahrrädern begeistert aufgenommen. Im Oktober! Wenn es da mal nicht
regnet! Besonders die weiblichen Hochzeitsgäste bekamen Probleme:
Wie soll man sich auf einem
Fahrrad
elegant anziehen?!
Und wir bekamen dann erstmal Probleme mit den Rikscha-Verleihern:
entweder waren sie zu teuer oder hatten schon seit Ende September Winterpause.
Wir mussten weiter forschen: Ein dritter hatte zuviel zu tun, ein vierter
war interessiert, aber meldete sich ewig lang nicht zurück. Erst eine
Woche vor dem entscheidenden Termin klärte sich das Chaos und das
Bangen um gutes Wetter begann. Einem kleinen Jungen taten wir richtiggehend
leid, als er hörte, wie ich seiner Mutter von unserer Idee erzählte
und er fragte sie "Mama, wir können der Frau Langbehn doch unser Auto
leihen, nicht?" Er musste aufgeklärt werden, dass es tatsächlich
Leute gibt, die kein Auto besitzen und sich selbst für ihre Hochzeit
keins leihen wollen, auch Ende Oktober nicht.
Einen Tag vorher, es nieselte zeitweise, holten wir unser Tandem ab.
Der besondere Clou, eine Idee meines Vaters: es war ein Liegesitz-Tandem.
Wir sind zunächst die geplante
Hochzeitsstrecke zum Test komplett abgeradelt. Dabei hatten wir soviel
Spass, dass wir kurzerhand auch noch mit dem Tandem Sekt und Blumen einkaufen
gefahren sind, was bereits für viel Aufregung im Ort gesorgt hat.
Auch während wir im Hof die Räder mit weissen und roten Blumen
schmückten wurden wir neugierig beäugt.
Dann endlich war der grosse Tag gekommen. Mein erster Blick
am Morgen des 26. Oktobers galt dem Himmel und der war blau - Gott sei
Dank! Es war ein herrliches Bild wie wir alle mit eleganter Festtagskleidung
auf Rädern quer durch den Wald zum Standesamt
düsten. Dank extratiefem
Einstieg ist auch der engste Rock nicht gerissen. Mit lautem Gebimmel fuhren
wir nach ca. 6 Kilometern vor dem Kerpener Rathaus vor.
Auf
dem Weg zum Restaurant, der über die Hauptstrasse führte, machten
die Autofahrer rücksichtsvoll Platz und überliessen uns die gesamte
Fahrbahn. Es war ein buntgemischter Fahrrad-Pulk: vorweg das Liegesitz-Tandem,
im Gefolge von einem Liegerad, einem vollgefederten Mountainbike mit Kinderanhänger,
einer Fahrradrikscha mit zwei begeisterten älteren Damen, einem über
30 Jahre alten Hollandrad sowie sechs weiteren Zweirädern verschiedenster
Ausführungen. Das fiel natürlich auf in einer Stadt, in der sonst
schnelle Autos den Gesprächsstoff bestimmen.
Nach dem Essen gab es auf dem Rückweg noch eine ungewollte Überraschung
für unsere jüngsten Hochzeitsgäste. Wegen des fehlenden
Schutzbleches am Mountainbike wurden die im Anhänger schlafenden Kinder
mit Lehm von Papas Hinterrad vollgespritzt. Sie merkten es erst beim Fototermin
im Türnicher Schlosspark, als alle Erwachsenen über die braungepunkteten
Kinder schmunzelten.
Bereits in unserer Hochzeitsnacht fing es an zu regnen und hörte
für die nächsten zwei Tage nicht mehr auf. Glück gehabt!
Abschliessend gab es noch ein dickes Lob von meiner 90-jährigen Grosstante,
die zusammen mit Markus Mutter in der Fahrrad-Rikscha gefahren war:
Die Hochzeit sei eine echte Traumhochzeit gewesen!
Hinweise zu den Rädern:
Liegesitz-Tandem "Pino" der Firma Hase
Liegerad "Hornet", der Firma Radius
Fahrradrikscha-Verleih (nur mit Fahrer):
- Perpedalo, Köln, Tel. 0221-2192362, Handy 0163-3030310
- Nino Smogar, Düsseldorf, Tel. 0173-4376176
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Photos: Horst A. Langbehn
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